Dem Soja auf der Spur (4)

Soja ist gesund und Sojaprodukte liegen voll im Trend. Die westliche Welt hat einen unstillbaren Bedarf an Soja. Doch wie sieht es am Anfang der Soja-Kette aus? Eine Freundin von mir hat sich auf den Weg nach Südamerika gemacht um über die Situation vor Ort zu berichten.

Dem Soja auf der Spur (Teil 1)
Dem Soja auf der Spur (Teil 2)
Dem Soja auf der Spur (Teil 3)


Komme gerade von einer Woche Urlaub wieder die mich über fünf Landesgrenzen führte und mir ungezählte Kilometer und Stunden in Bussen bescherte. Habe beeindruckende Ruinen von Jesuiten-Missionen erklommen, die größten Wasserfälle der Welt von argentinischer und brasilianischer Seite aus bestaunt und bin schließlich vom Norden Paraguays aus auf einem hölzernen 30 Jahre alten Fracht- und Passagierschiff 300 km den gleichnamigen Fluss hinunter getuckert.

Genau zwei Tage bleiben mir jetzt in Asuncion, wo ich in vollen Zügen die Vorteile der Großstadt genieße, bevor ich mich schon wieder fünf Stunden lang in einen der klapprigen Busse setzen muss, um nach Capiibary in der Provinz San Pedro zu gelangen. Dort werde ich Weihnachten mit E. und ihrer Familie verbringen. Von ihr hatte ich bereits geschrieben; eine sehr engagierte Frau aus einfachen Verhältnissen, die für die Rechte der Landbevölkerung kämpft und unerschöpfliche Energie dafür aufbringt. Mit ihr will ich in diesen Tagen auch noch ein biographisches Interview führen.

Wenn ich dann zurück komme, gibt es noch ein großes Abschiedsessen für das schon fleißig die Werbetrommel gerührt wird, so dass es zu einer mittelgroßen Fete anwachsen wird. Und am 28.12. fliege ich nach Buenos Aires und von dort dann am 30. weiter über den großen Teich, um pünktlich zu Silvester in Köln Kalk zu sein.

Freue mich auf meine Lieben, meine eigenen vier Wände mit gut ausgestatteter Küche und darauf, auf der Strasse nicht permanent wie ein exotisches Tier ganz unverhohlen angestarrt zu werden. Und gleichzeitig die Traurigkeit, Abschied zu nehmen von wunderbaren Menschen die Dinge in Bewegung bringen und sich nicht unterkriegen lassen. Habe ganz viel tolles Feedback bekommen für meine Arbeit hier und das Anliegen, die Bedingungen unter denen Soja produziert wird und die negativen Folgen für das Land in Deutschland anzuprangern.

Mein persönliches Fazit: nie wieder Soja! Für die Bauern bedeutet sie „einen schleichenden Tod“ weil sie über Jahre mit Chemie besprüht werden und Hunger, weil die Erde anstatt für die Produktion von Lebensmitteln für extensive Soja-Monokulturen genutzt wird. Die wird dann exportiert um z.B. in Deutschland Kühe und Schweine zu mästen oder in Form von Soja-Lecithin in sämtlichen Süßigkeiten zu landen die wir auch regelmäßig essen. Und egal ob die Soja nun aus den USA, China oder Südamerika kommt, handelt es sich um gentechnisch veränderte Bohnen die im Laufe ihres Reifeprozesses mit soviel Pestiziden, Insektiziden und Fungiziden besprüht wurden, dass ich nicht glauben kann, dass das keine Folgen für die KonsumentInnen haben soll, wie von Seiten des Agrobusiness behauptet wird. Mal ganz abgesehen von den Umweltkonsequenzen.

Erst gestern habe ich ein spannendes Interview mit einer Nonne geführt, die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzt. Dabei geht es auch viel um die Verteidigung von ihrem Land, dass sich Sojabauern einfach oft aneignen. „Es ist ein regelrechter Krieg“ beschreibt sie deren Vorgehen, die Urbevölkerung zu vertreiben indem sie gezielt Chemie einsetzen. Und auch hier wieder die Erfahrung, dass die „Grossen“ sich jegliches „Recht“ erkaufen.

Trotzdem gibt sie den Kampf nicht auf, ebenso wie so viele Andere, mit denen ich auf dem Land und in der Stadt sprach. Gerade in der jetzigen politischen Situation ist es wichtig, aktiv zu bleiben. Ich spüre hier ganz viel Bewegung und Aufbruch und die Hoffnung auf einen dauerhaften Wechsel im politischen Kurs des Landes.

Im November durfte ich einem historischem Ereignis beiwohnen: Im Zentrum Asuncions trafen sich zum allerersten Mal die linken „fortschrittlichen Kräfte Paraguays“, um sich über die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lagen des Landes auszutauschen und gemeinsam den Traum von einem besseren, gerechterem Paraguay zu verwirklichen. Über 4.000 Menschen aus dem ganzen Land waren zum frühen Morgen angereist; im Gepäck die Fahnen und Transparente ihrer Organisationen, Forderungen an die Regierung und die obligatorische, riesige Thermoskanne für den kalten Mate-Tee.
Ein tausendstimmiger Chor ruft: „el pueblo unido jamas será vencido“, in die Höher gereckte Fäuste und eine kraftvolle Erregung der Masse, die gespannt auf Fernando Lugos Rede wartet.

Die ist kurz und poetisch. Ein Bekannter von Regine übersetzt für uns seine Worte vom politischen Wechsel der mit seiner Wahl am 20. April 2008 in Paraguay eingeläutet wurde und der 61jährigen Herrschaft der Colorado-Partei ein Ende setzte. Er beschwört die sozialen Kräfte die für diesen historischen Sieg gesorgt haben und wie wichtig die Einheit der Bewegung ist, um den politischen und gesellschaftlichen Wechsel voran zu treiben.
Was für eine Wohltat muss es für den täglich im Kreuzfeuer der rechtskonservativen Opposition und Medien stehenden Politiker sein, sich inmitten von Menschen zu befinden, die mit seiner Regierung die Hoffnung auf ein gerechteres Paraguay verbinden! Auch wenn Lugo in dem einen Jahr seit seinem Amtsantritt noch nicht viel verändert hat – oder konnte – und Viele enttäuscht sind von ihm, sind sich alle Rednerinnen und Redner an diesem Tag darüber einig, dass weiter gekämpft werden muss.

Das bekannte und viel verwendete Zitat vom vereinten Volk das gemeinsam unbesiegbar ist, das auch Lugo wiederholt bevor er abfährt, mag einfach klingen aber genau das ist der Anlass für dieses landesweite Treffen. Denn die Gerüchte über einen möglichen Staatstreich haben derzeit ein Besorgnis erregendes Ausmaß angenommen. Man spricht von der „Attacke der Rechten“, die ihre Macht und ihre Privilegien gefährdet sehen und alles daran setzen, diese zu erhalten. Die sozialen Bewegungen sehen sich seit Lugos Amtsantritt im September letzten Jahres einer besonders heftigen Diffamierungs- und Kriminalisierungswelle gegenüber. Umso wichtiger ist die Demonstration von Geschlossenheit und die Formulierung gemeinsamer Forderungen an diesem Tag. Es geht um die Veränderung des alten Politik-Wirtschafts- und Agrarmodelles, um einen tiefgreifenden sozialen und politischen Wechsel. Die Umsetzung wesentlicher Menschenrechte, soziale Ökonomie, Selbstbestimmung, Umweltschutz und die Bekämpfung der Armut sind Stichworte auf dem Podium.

Das eigentlich Spannende für mich an diesem Tag sind die 4-minütigen Reden von Frauen und Männern aus dem ganzen Land, die als VertreterInnen für ihre Organisationen und Gruppen sprechen. Kleinbauernorganisationen, Interessenvertretungen von Hausangestellten, arbeitenden Kindern und Taubstummen, Gewerkschaften, sozialistische und kommunistische Parteien, Indigene, Landlose und Feministinnen fordern unter lautem Beifall die Bekämpfung der Armut, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle, bessere Arbeitsbedingungen, Ernährungssouveränität, eine umfassende Landreform. Sie prangern die Korruption der PolitikerInnen, Gerichte und Polizeigewalten im Land an, die ungerechte Landverteilung, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch ausländische Firmen und die Vergiftung der Erde.

Ebenfalls sehr beeindruckend war eine große Demonstration gegen die Kürzungen des Sozialhaushaltes für 2010; auch das, so wird vermutet, ein Winkelzug der Rechten. Der riesige Platz vor dem Senat ist voller Menschen die wiederum aus dem ganzen Land angereist sind, um von den drinnen tagenden Abgeordneten eine Korrektur zu fordern. Jede einzelne Organisation hat Leute mobilisiert und Transportmöglichkeiten organisiert. Trotzdem konnten viele Tausend nicht kommen weil sie nicht die Mittel haben oder die Busse schon voll waren.

Die Presse spricht später von 6.000 Menschen aber wer auf dem Platz war weiß, dass es mindestens 20.000 waren. Darunter viele bekannte Gesichter aus den Provinzen in denen ich unterwegs war. Es gibt Live-Musik, und Samba-Trommeln, Straßentheater, Redebeiträge und Sprechchöre. Jugendliche und Alte, Mütter mit Kindern, Stadt- und Landbewohnerinnen, Indígenas werden von mobilen Imbissständen versorgt und trinken kalten Terere.
Die Polizei ist bis an die Zähne bewaffnet und, inclusive Reiterstaffel, zahlreich vertreten. Gruselig daran zu denken, dass Ende der 90er Jahre bei einer Demonstration an gleicher Stelle über 10 Menschen, vor allem Jugendliche, von Scharfschützen erschossen wurden die auf den umliegenden Dächern platziert waren. Es gab damals hunderte Verletzte.

Eine andere Veranstaltung: das erste Konzert für die Opfer der Militärdiktatur vor der Polizeistation, auf deren Gelände im Juni die Knochen von Verschwundenen gefunden wurden. Liedermacher und Bands aus Paraguay und Argentinien, Menschen die Fotos ihrer Angehörigen hochhalten, von denen bis heute jede Spur fehlt.

Da fällt es schwer die oft wiederholte Litanei von Leuten zu hören die sagen, unter Stroessner sei es sicherer gewesen und es hätte nicht soviel Armut gegeben. Fakt ist, dass es die genauso gab, aber weniger sichtbar, weil man sich mit Scheuklappen durch´s Leben schlängelte. „Bloß nicht einmischen!“ und sich mit der alles umgebenden Aura von Spitzelei und Bedrohung arrangieren. Bis heute sind die Folterer von damals unbehelligt geblieben und die Politiker von damals haben ihr Scherflein nach wie vor im Trockenen.

Aus sechs geplanten Wochen in Paraguay sind zweieinhalb Monate geworden, denn ich wollte ganz eintauchen. Ich habe versucht, soviel wie möglich mitzubekommen, das Alltagsleben die politische Kultur und Gesellschaft kennen zu lernen. Letztendlich ist alles miteinander verknüpft und lässt sich nicht ohne Kontext verstehen. Es gäbe noch soviel mehr zu erzählen.

Z.B. vom Besuch von sechs politischen Gefangenen im Gefängnis Tacumbú mit einer Menschenrechtsdelegation, vom Spaziergang durch eines der Elendsviertel mit einer Sozialarbeiterin die dort lebt und arbeitet. Vom „Lohn“ der dort lebenden Bevölkerung, die oft vom Land hierher migriert ist und sich mit Müllreceycling über Wasser halten. Von comedores populares; Essstuben die in nachbarschaftlichr Initiative gegründet werden, um Kindern und Alten eine warme, gesunde Mahlzeit am Tag zu ermöglichen, und wo Wahlkampfteams die „mechanische Kuh“ mit Sojamilch anbieten. Und natürlich auch vom wohlklingenden Diskurs der Sojaunternehmen, mit denen ich ebenfalls sprach; denen zufolge es gar keinen Landkonflikt gibt und die dem Staat sämtliche Verantwortung für die Misere zuschreiben während sie selbst keine Steuern zahlen und zahlreiche Gesetze zu ihren Gunsten existieren.


Dem Soja auf der Spur (Teil 1)
Dem Soja auf der Spur (Teil 2)
Dem Soja auf der Spur (Teil 3)

Dem Soja auf der Spur (3)

Soja ist gesund und Sojaprodukte liegen voll im Trend. Die westliche Welt hat einen unstillbaren Bedarf an Soja. Doch wie sieht es am Anfang der Soja-Kette aus? Eine Freundin von mir hat sich auf den Weg nach Südamerika gemacht um über die Situation vor Ort zu berichten.

Dem Soja auf der Spur (Teil 1)
Dem Soja auf der Spur (Teil 2)


Ich habe lange nichts von mir hören lassen, was daran lag, das ich viel unterwegs und kaum in Asuncion war. Inzwischen bin ich in zwei verschiedenen departamentos, so was wie Bundesländern, herum gereist, habe sehr viele beeindruckende Menschen getroffen, verschiedene Kleinbauernorganisationen und NGOs kennen gelernt, interessante Gespräche und Interviews geführt, bin auf super vielen Motorrädern herum gefahren worden, habe Camps von Landlosen besucht sowie eine indigene Gemeinde und eine katholische Missionsstation, die grüne Wüste der Sojafelder zur Genüge gesehen, mit einem deutschen Unternehmer einen ganzen Tag lang seine Aktivitäten studiert und häufig bei campesino-Familien übernachtet von denen ich quasi adoptiert wurde.

Zuerst war ich zwei Wochen in Alto Paraná, von wo aus ich das letzte Mal geschrieben hatte. Dort war ich z.B. lange mit Mitgliedern der Kleinbauernorganisation ASAGRAPA unterwegs, bin ich ziemlich viel rumgekommen und hatte oft die Gelegenheit mit den Bauern zu sprechen. Ihre Erfahrungen mit den Sojaunternehmern sind meist ähnlich: es wird ohne Rücksicht auf Verluste Chemie gesprüht was das Zeug hält, schützende Grünstreifen, die eigentlich vorgeschrieben sind, gibt es nicht und oft grenzen die Sojafelder direkt an ihre Grundstücke und die Pestizide verbrennen die Pflanzen auf ihren Äckern, töten die Hühner und Enten die frei herumlaufen und machen die Anwohner krank.

Anzeigen dagegen werden nicht bearbeitet oder versacken in korrupten Büros und die Bauern fühlen sich ohnmächtig der Übermacht der Sojalobby gegenüber. Viele geben auf und verkaufen ihr Land, was zur Folge hat, dass sich die Soja mitten in den Gemeinden ausbreitet und die Situation verschlimmert. Es ist auch ein gezieltes Mittel der Großgrundbesitzer, die Bauern zu entzweien, die längst nicht alle an einem Strang ziehen. Einige verpachten auch ihre Felder oder bauen selbst Soja an, aber im kleinen Maßstab lohnt sich das nicht und sie verschulden sich oft, was ebenfalls zur Folge hat dass das Land den Großen zufällt.

An anderen Stellen versuchen die Landlosen durch Landbesetzungen ihr – theoretisch von der Verfassung garantiertes – Recht auf Land durchzusetzen, um sich zu ernähren. 120.000 Familien haben offiziell kein Land, wobei andere Schätzungen von 300.000 ausgehen.
Solche Landbesetzungen werden meist sehr gewalttätig geräumt; es gab bereits Tote.

Ein besonders krasser Fall hat sich vor kurzem in Itakyry ereignet, wo ein Brasilianer behauptet, der Eigentümer von 2.600 Hektar Land zu sein und auch irgendwelche Papiere vorweisen kann, die er gekauft hat (keine Seltenheit, dass es für ein und das Selbe Stück Land mehrere Besitztitel gibt). Das Land ist aber von der Behörde die für den Schutz der indigenen Bevölkerung zuständig ist, als geschützte Fläche für fünf Indianergemeinden ausgewiesen. Der „neue“ Eigentümer kündigte vor ein paar Wochen die Räumung der Dörfer an, woraufhin die indígenas demonstrierten und sich entschlossen zeigten, ihr Land zu verteidigen. Am angekündigten Tag der Räumung fuhren 20 Autos mit Bewaffneten vor, die vom Brasilianer angeheuert wurden. Die indígenas wehrten sich mit Pfeil und Bogen, die Leute zogen ab und kurze Zeit später flog ein Flugzeug über die fünf Gemeinden und besprühte alles mit Pestiziden. Ein Ort war besonders stark betroffen, die EinwohnerInnen konnten sich nicht mehr in Sicherheit bringen und Mehrere wurden mit starken Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus eingeliefert. Es gab viele Proteste und eine Demonstration in Asunción, Anzeigen und eine staatliche Untersuchung, um die Chemikalien zu bestimmen. Aber wirkliche Sanktionen hat der Brasilianer nicht zu erwarten, bzw. kann er sich sicher sein, sich frei kaufen zu können.

Solche krassen Fälle von Menschenrechtsverletzungen gibt es leider immer wieder und kaum etwas, was die Kleinbauern dagegen unternehmen können. Immer wieder wurde mir erzählt, wie brutal die großen Landbesitzer (in den meisten Fällen Brasilianer) vorgehen, bewaffnete Sicherheitskräfte anheuern die auf alles schießen was ihr Land betritt, die Gemeinden einschüchtern und Menschen bedrohen, die sich wehren. „Für sie sind wir Kakerlaken“ beschrieb jemand die Rücksichtslosigkeit mit der die Soyeros ihr Gebiet erweitern und Widerstand begegnen, um jeden Quadratzentimeter mit Soja bepflanzen zu lassen.

Immer wieder erfahre ich, wie sehr sich die Bauern von der Regierung im Stich gelassen fühlen und gegen eine Übermacht ankämpfen, die alles manipuliert. Manche sind sehr verbittert. „Aber wenn wir aufgeben und unser Land verlassen, was bleibt uns dann noch?“ fragte der Vorsitzende einer Nachbarschaftsvereinigung auf dessen Schwiegervater nachts in seinem Bett fünf Mal geschossen wurde und der es wie durch ein Wunder überlebte. Er zeigte mir die verkümmerten Manjokpflanzen die direkt neben einem Sojafeld wachsen und bei dessen letzten Besprühung vor ein paar Tagen vom Gift verbrannt wurden. „Wir fragen uns, ob wir das überhaupt noch essen können“.

Die stärkehaltige Manjokwurzel ist das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung. Es gibt sie gekocht morgens, mittags und abends zu jedem Essen dazu wie Brot. Außerdem werden viel Mais, Bohnen, Paprika und Erdnüsse für den Eigenbedarf angebaut. Von einer zwei Hektar großen Ackerfläche kann sich eine vierköpfige Familie ernähren. Wenn sie auch noch ein paar Kühe oder Schweine haben, verfügen sie auch noch über eine kleine Geldanlage, um sich ein Motorrad anzuschaffen oder im Falle einer Krankheit die Behandlungskosten aufbringen zu können. Viele bauen Sesam oder Tartago, eine Pflanze deren Samen zur Herstellung von Bio-Sprit aufgekauft wird, an um ein wenig für Öl, Seife und Kleidung zu verdienen. Die Landbevölkerung ist zwar sehr arm, aber sie (die die Land haben) können sich immerhin selbst ernähren.

Dieses traditionelle Modell der Subsistenzwirtschaft ist durch die Agrarindustrie bedroht. Diese verspricht mit moderner Technik, Monokulturen auf großen Flächen und manipuliertem Saatgut hohe Erträge, entsprechende Gewinne und ganz nebenbei auch noch, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Doch davon profitieren nur Wenige; allen voran die transnationalen Firmen und Großgrundbesitzer. Nebenwirkungen sind: Verdichtung und Auslaugung des Bodens, Errosion, Vergiftung der Gewässer, fortschreitende Abholzung, Arbeit für einige wenige, Verdrängung der Subsistenzwirtschaft, landflucht und wachsende Armut in den Städten, Verschärfung von Landkonflikten.
Während das Agrobusiness mit gezielten Medienkampagnen versucht, das Kleinbauernmodell als rückständig und ertraglos, die campesinos als dumm und faul darzustellen, fordern gerade diese Bauern und Bäuerinnen ihr Recht auf Selbstbestimmung, Land und Ernährungssicherheit (soberanía alimentaria).

Besonders eindrucksvoll ist dieser Kampf im Distrikt San Pedro, von wo ich vor ein paar Tagen zurück gekommen bin. San Pedro ist der größte und ärmste Distrikt Paraguays mit besonders viel Zuwanderung aus anderen Gebieten, wo die Kleinbauern verdrängt werden. 80% der Bevölkerung lebt in ziemlich armen Verhältnissen auf dem Land.

Dort war ich insgesamt zwei Wochen und habe dabei in drei verschiedenen Provinzen etliche gut vernetzte Organisationen und deren Arbeit kennen gelernt. Im Gegensatz zu Alto Parana hat sich die Soja hier noch nicht so extrem ausgebreitet, was auch auf die Sensibilisierung und den Widerstand der lokalen Bevölkerung zurück zu führen ist. Es gibt häufig Anzeigen und Demonstrationen gegen die Besprühungen, die vielen tausend Landlosen werden in ihren Camps von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt und die dirigentes (gewählte VertreterInnen die verschiedene ehrenamtliche Aufgaben übernehmen) der vielen Gruppen und Netzwerke schaffen es innerhalb kürzester Zeit einige tausend Menschen auf die Beine zu bringen, um z.B. mit Straßenblockaden gegen zu niedrige Sesam-Preise, geplante Privatisierungsgesetze oder – ganz aktuell – gegen die Kürzung des Sozialhaushalts für das kommende Jahr zu protestieren.

Im Gegensatz zu anderen Distrikten sind sogar Frauen auf den häufigen Versammlungen anwesend, die auch das Wort ergreifen. Aber es wird noch lange dauern, bis der allgegenwärtige Machismo etwas zurück gedrängt ist. In den Organisationen wird zwar inzwischen auch von Frauenrechten gesprochen, aber es sind weiterhin die Frauen, die sie einfordern müssen und denen nach wie vor weniger zugetraut wird als Männern.

Wenn ich irgendwo ankam und die dirigentes anfingen, Termine für mich zu organisieren und ein Programm aufzustellen, kamen darin meist auch nur Männer als Auskunft gebende vor. Oft gab es auch die Situation, dass ich die anwesenden Frauen etwas fragte und der Ehemann antwortete oder die Frau selbst auf ihre Männer verwiesen, die besser wüssten wie viel Land und Tiere sie haben. Dabei ackern die Frauen genauso und kochen, waschen und versorgen nebenbei die Kinder. Viele Familien haben 8, 12 oder mehr Kinder und es wird als selbstverständliches Recht des Ehemannes angesehen, dass ihnen die Frauen immer zur Verfügung stehen. Manche sind ihr ganzes Leben lang schwanger und würden sich nie trauen das in Frage zu stellen.

Umso erfreuter war ich, dass ich in der Provinz Cappiibary von San Pedro mehrere taffe Frauen kennen lernen konnte. Bei einer sehr aktiven, dynamischen und sympathischen dirigenta der OLT (organisación lucha por la tierra – Organisation Kampf um Land) und ihrer Familie konnte ich sogar eine Woche lang wohnen. E. ist 36 Jahre alt, hat vier schon große Söhne und eine sehr spannende aber auch schmerzhafte persönliche Geschichte. Sie ist einer der Menschen die nicht einfach die Hände in der Schoß legen können, wenn es so viel Ungerechtigkeit gibt. Gegen den anfänglichen Widerstand ihres Mannes hat sie als Zwanzigjährige angefangen, auf Treffen zu gehen und sich weiter zu bilden. Heute ist sie kaum zuhause, koordiniert viele Aktivitäten, geht von morgens bis abends auf verschiedene Versammlungen, leitet Workshops und spricht im eigenen Radio der OLT, um die Menschen über ihre Rechte aufzuklären und sie zu sensibilisieren und scheint nicht müde zu werden.
Ihre ganze Familie hat sich dem Kampf für ein gerechteres Land und ein besseres Leben für alle verschrieben und während der letzten Mobilisierung konnte ich die aktiven drei Generationen auf einmal sehen, was mich total beeindruckt hat.

Denn es ist nicht so, dass die Repression der sozialen Bewegungen mit dem Ende der 61jährigen Herrschaft der rechten Colorado-Partei aufgehört hätte. Im Gegenteil hat sie im letzten Jahr zugenommen. Mit zahllosen Anklagen gegen die dirigentes, z.B. wegen Unruhestiftung und Gefährdung des inneren Friedens, versuchen die Behörden, die Bewegungen zu schwächen. Wenn jemand angeklagt ist (imputado) gibt es ein zweijähriges Verfahren, innerhalb dessen die Leute an keinen Versammlungen und Aktionen teilnehmen dürfen, sich einmal im Monat melden müssen und das Land nicht verlassen dürfen. Nach zwei Jahren entscheidet dann ein Gericht und oft wird das Verfahren eingestellt, es gibt aber auch Gefängnisstrafen oder mehrjährigen Hausarrest.

Die Presse tut ihr Übriges, um die Bewegung zu kriminalisieren und gezielt falsche Informationen zu verbreiten, wie mir immer wieder bestätigt wurde. Proteste werden entweder tot geschwiegen oder die Gruppen in Verbindung mit Terrorismus gebracht. Es scheint, als ob den korrupten Seilschaften in Parlament, Behörden, Gerichten und Wirtschaft die Muffe geht angesichts der aktuellen Kraft der sozialen Bewegungen und sie deshalb besonders heftig um sich schlagen.


Dem Soja auf der Spur (Teil 1)
Dem Soja auf der Spur (Teil 2)
Dem Soja auf der Spur (Teil 4)

Dem Soja auf der Spur (2)

Soja ist gesund und Sojaprodukte liegen voll im Trend. Die westliche Welt hat einen unstillbaren Bedarf an Soja. Doch wie sieht es am Anfang der Soja-Kette aus? Eine Freundin von mir hat sich auf den Weg nach Südamerika gemacht um über die Situation vor Ort zu berichten.

Dem Soja auf der Spur (Teil 1)


Vor einer guten Woche bin ich mit dem Bus in der Hauptstadt Asuncion angekommen und seitdem bereits eifrig am Arbeiten im Osten des Landes an der Grenze zu Brasilien. R., eine Deutsche die seit 10 Jahren in Asuncion lebt und ebenfalls viel zum Thema Soja gearbeitet hat und mir super viele Kontakte vermittelt, hatte mir dort ein Hotel im Zentrum reserviert, zu dem ich dank Taxi auch völlig problemlos fand.

Mein erster Eindruck von Land und Leuten war ein sehr entspannter. Es gibt – von den Nachbarn einmal abgesehen – kaum Reisende hier (übrigens auch keinen Reiseführer) und vielleicht hat sich auch deshalb kein Markt rundherum entwickelt, von dem viele versuchen zu leben. Niemand sprach mich im Busbahnhof an, keine Taxifahrer stürmten auf mich ein und auf dem Kunstmarkt im Zentrum konnte ich völlig ungezwungen bummeln.

Das Hotel empfing mich mit drei Sternen, was gemäß meiner Schlafsaal-Genügsamkeit eigentlich drei zuviel sind. Aber Mensch muss sich auch mal was gönnen, zumal 20 Euro pro Nacht inklusive Frühstück – eigentlich – nicht wirklich viel ist, und die Dusche und Ruhe anschließend habe ich sehr genossen. Abends bin ich dann zu R. Wohnung gestiefelt und konnte mir einen ersten Eindruck vom historischen Zentrum machen: schöne alte Kolonialbauten, und Wohnhäuser, Hochhäuser, ein paar Parkanlagen und auch viel Grün in den Straßen, Geschäfte mit Top-Marken, viele deutsch klingende Namen auf Werbetafeln und ein fast völlig ausgestorbener Ort am Wochenende.

Mit meiner „Kontaktfrau“ habe ich mich gleich gut verstanden und festgequatscht. Zur Feier meiner Ankunft ging es in ein Lokal mit regionalen Spezialitäten an einem der zentralen Plätze und zu dieser späten Stunden waren nun viel Paare und Familien unterwegs, die ebenfalls ausgingen. Wir landeten am Tisch eines paraguayischen Fußballmanagers der aus einer traditionellen, reichen Familie stammt und somit die kleine aber reiche und sehr einflussreiche Oberschicht des Landes repräsentiert. Er habe nichts mit Politik zu tun, sondern sei Unternehmer, sagte er, doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass eben diese Oberschicht seit Jahrzehnten – sowohl während der Militärdiktatur Stroessners die 1989 zu ende ging, als auch in der bis vor einem Jahr andauernden Herrschaft der konservativen Colorado-Partei – fest im Macht- und Korruptionsfilz des Landes verankert ist und gar nicht unpolitisch sein kann wenn nach wie vor Posten und Geschäfte zugeschachert werden und Einfluss auf alle wesentlichen Prozesse und Entscheidungen in Paraguay genommen wird. Zumal der sympathische Mann auch hin und wieder erwähnte mit welchen politischen Größen seine Familie zu tun hatte und mit wem er alles so ganz nebenbei Umgang pflegt. Sehr interessant war auch, dass er se lbst Land besitzt auf dem Soja und Mais angebaut werden; unter anderem im Grenzgebiet zu Brasilien (da bin ich übrigens gerade) wo eine Mafia den Schmuggel kontrolliert und die Korruption besonders blüht. R. schlackerte jedenfalls nur mit den Ohren, da sie die ganzen Zusammenhänge sehr gut kennt. Wir sind sehr gespannt, ob er sein Versprechen hält, uns Karten zum nächsten Lokal-Derby zukommen zu lassen. Auf VIP lege ich dabei gar keinen Wert aber solche Leute kleckern nicht sondern klotzen. Die Fischsuppe dabei war übrigens ausgezeichnet! Dazu gab’s gekochte Yam-Wurzel, regionales Bier und zum Nachtisch Papaya-Kompott (die Frucht wird grün mit sehr viel Zucker gekocht und nennt sich dulce de mamon).

Am Montag fand mein Umzug zu R. statt und Dienstag hatte ich dann gleich die ersten Treffen bzw. Interwievs mit Experten zum Thema Soja. Eine Anwältin berichtete vom jahrelangen Kampf darum Gesetze auszuarbeiten und durchzubringen die den Kleinbauern und Landlosen Land sichern und den massiven Einsatz der überaus gesundheitsschädlichen Ackergifte eindämmen oder überhaupt erst einmal offizielle Untersuchungen von deren Auswirkungen auf die nebenan lebenden Menschen festlegen sollen. Aber sie werden immer wieder gekippt weil die Landwirtschaftslobby, die Unternehmer, Pharmakonzerne und Großgrundbesitzer ihren Einfluss geltend machen.

Zwar regiert seit über einem Jahr Lugo, ein Demokrat und ehemaliger Bischof der von den Kleinbauern und Armen gewählt wurde weil er Landreformen und Umverteilung versprach, aber er hat nur einen Senator auf seiner Seite, Justiz und sämtliche Ministerien sind mit den alten Seilschaften besetzt die gegen ihn arbeiten, unterstützt von der Presse. Dazu kommt, dass er kein Politiker ist, wenig Durchsetzungsvermögen hat, unentschlossen ist und keine klare Position bezieht. Diejenigen die ihn gewählt haben sind enttäuscht und die sozialen Bewegungen erleben derzeit sogar eine besonders starke Repression und werden kriminalisiert.

Darüber sprach ich mit einem Soziologen der versuchte, mir die nationalen Strukturen der einzelnen Organisationen und linken Parteien zu erklären. Wichtig ist dabei, dass nicht an einem Strang gezogen wird sondern viele verschiedene Meinungen existieren und diskutiert werden. Ich lerne gerade einige davon kennen und erfahre ganz praktisch was im Land vor sich geht. Denn noch am selben Abend fuhr ich mit Tomas Zayas, einem sehr bekannten Aktivisten der Kleinbauern der seit Jahren mit Morddrohungen lebt, in die Provinz Alto Parana und übernachtete in seinem Haus. Ein besonnener, intelligenter und freundlicher Mann der für die Kleinen kämpft und das Lachen trotz der vielen Hindernisse und Fallen die ihm gestellt werden nicht verlernt hat.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Genossen der Organisation ASAGRAPA abgeholt, der mich mitnahm zu einer Gemeinde von Kleinbauern inmitten tausender Hektar Soja-, Getreide- und Mais-Monokulturen. Dafür wurden seit den 70er Jahren riesige Flächen Urwald abgeholzt und große Flächen für die mechanische Bearbeitung geschaffen. Besonders problematisch ist der Anbau von Soja. Das Saatgut ist überwiegend gentechnisch manipuliert und wird fortwährend mit Pestiziden besprüht die alles lebendige abtöten. Die intensive Landwirtschaft, auf den – noch – fruchtbaren Böden werden dreimal im Jahr Monokulturen ausgesät und geerntet, bedroht die Biodiversität, vergiftet Böden und Flüsse und macht die Menschen die daneben leben krank, lässt ihr Vieh sterben und ihre Feldfrüchte verkümmern. Kinder werden mit Missbildungen geboren und immer wieder sterben Menschen an einer Überdosis der Chemikalien die in nächster Nähe versprüht werden; erst kürzlich 12 Indigenas. Organisationen wie ASAGRAPA machen solche Fälle öffentlich und schlagen Alarm. Manchmal kommt sogar ein hoher Politiker angereist, um vor laufenden Fernsehkameras festzustellen, dass die Leute an Unterernährung gestorben seien.

Die Besprühungen sind für die Sojabauern aber auch ein willkommenes Druckmittel die Kleinbauern zu vertreiben; viele geben auf und verkaufen ihr Land oder sie haben den Verspechungen der Saatgutfirmen geglaubt und selbst Soja angebaut, verschulden sich jedoch weil weniger geerntet wird als geglaubt und werden auf diese Weise ihr Land los. Jeder Zentimeter nutzbarer Fläche wird mit Soja bebaut und schützende Grüngürtel zu den benachbarten Gemeinden mögen zwar vorgeschrieben sein, bleiben aber reine Theorie.

Gestern und heute bin ich mit Mitgliedern von ASAGRAPA über Land gefahren und habe comunidades (Gemeinden) besucht, mit Männern und Frauen gesprochen, mir ihre Äcker inmitten der grünen Wüste zeigen lassen (ich weiß jetzt wie Manjokstauden aussehen, Erdnuss- und Melonenpflanzen, dass Patchouli eine stark duftende Pflanze ist und wie Seife gemacht wird), von den Kindern versucht, ein paar Worte Guarani zu lernen und vor den Holzhütten Mererete, kalten Mate, zusammen getrunken.

Das alles fernab der asphaltierten Landstraßen, inmitten von paradisisch anmutenden Gehöften die über Fahrwege aus roter Erde zu erreichen sind, die sich bei Regen in Schlammlawinen verwandeln, vorbei an unendlichen Monokulturen gerade sprießender Soja. Ein Blick über Land zeigt rundum Felder, nur ab und zu unterbrochen von grünen Wäldchen in den Senken die zu tief für die maschinelle Bearbeitung liegen und nicht gerodet wurden oder wo sich Gemeinden von Kleinbauern hartnäckig versuchen zu behaupten. Diese Orte muten teilweise wie kleine Oasen an; mit üppigen Gärten, Obstbäumen, frei laufenden Schweinen, Hühnern, Enten.

In einer comunidad werden Fische gezogen und ein Bachlauf plätscherte munter vor sich hin. Dort lebt ein Junge der eines Tages aufstand, sich das Gesicht wusch und blind wurde; der Regen wäscht zusätzlich die Chemikalien aus dem Boden. Auch die idyllische Beschaffenheit trügt. Die Situation in den Gemeinden ist extrem. Die Menschen haben wenig und leben unter schlechten Bedingungen. Gesundheitsversorgung und Schulen funktionieren rudimentär. Die meisten Familien leben von Subsistenzwirtschaft aber es gibt auch tausende Landlose. Immer wieder gibt es Landbesetzungen und die öffentliche Forderung nach Land, unterstützt z.B. von ASAGRAPA. Leider auch allzu oft die Erfahrung mit Gewalt von Polizei und Militär vertrieben zu werden, dabei gibt es Verletzte, Tote und überzogene Haftstrafen.

Von weitem sieht die Landschaft in Alto Parana aus wie eine typische landwirtschaftliche Gegend irgendwo in Mitteldeutschland – mit großen Ackerflächen die sich über sanfte Hügel erstrecken und grünen Flecken mittendrin. Wenn ich mir dann vorstelle, dass diese Flächen noch vor 30 Jahren komplett mit Urwald bedeckt waren, muss ich schlucken. Dass sich das Microklima dadurch verändert ist ein logischer Schluss, mal ganz abgesehen vom globalen Klima.

Das Geschäft mit Soja lohnt sich! Paraguay ist viertgrößter Sojaproduzent. Große transnationale Firmen exportieren in die ganze Welt, z.B. nach Europa wo das ökologische Gewissen mit Ökosprit beruhigt werden soll (Soja ist eine sogenannte Energiepflanze) und Milliarden Viecher mit gentechnisch veränderter Soja gefüttert werden. Von Brasilien schwappte die Sojawelle nach Paraguay und den Norden Argentiniens und sie frißt sich immer weiter ins Land. Gewinner sind einige Großgrundbesitzer, viele ausländische Sojabauern und die international agierenden Saatgut- und Agrochemiefirmen. Monsanto, Bayer, Cargill und Co lassen grüßen. Beim Fahren über Land wechseln sich ihre Niederlassungen und Silos ab, in denen tausende Tonnen Soja gesammelt werden und auf den Export warten – übrigens steuerfrei!

Ich bin natürlich sehr gespannt auf den Besuch eines Sojaunternehmens. Die Aktivisten bei denen ich seit Mittwoch bin (und jetzt zu nächtlicher Stunde gerade im „Vereinshaus“ in dem es Versammlungsräume, Schlafsäle, eine Bibliothek, Büro, Großküche und einen Laden für das ökologisch produzierte Obst, Gemüse und Fleisch der Mitglieder von ASAGRAPA gibt), sind sehr bemüht, mir viel zu zeigen, mir die „besten“ Interviewpartner vorzustellen und ihre Kontakte in der ganzen Provinz spielen zu lassen (denn sie sind über in ganz Alto Parana verteilt und in kleinen Untergruppen organisiert).

Und beim nächsten Mal kann ich Euch von der anderen Seite des Konfliktes berichten.


Dem Soja auf der Spur (Teil 1)
Dem Soja auf der Spur (Teil 3)

Dem Soja auf der Spur (1)

Soja ist gesund und Sojaprodukte liegen voll im Trend. Die westliche Welt hat einen unstillbaren Bedarf an Soja. Doch wie sieht es am Anfang der Soja-Kette aus? Eine Freundin von mir hat sich auf den Weg nach Südamerika gemacht um über die Situation vor Ort zu berichten.

Bevor also hier der 26C3-Wahnsinn losbricht, poste ich wie schon beim letzten Mal hier ihre Reiseberichte, die ich immer wieder am Bildschirm von Fernweh geplagt verschlinge.


Die Anreise war zwar lang aber das Ankommen in Argentinien ziemlich entspannt. Nachdem ich lange Schlange stehen musste an der migracion, habe ich Geld getauscht und dann meinen schweren Rucksack geschultert, um mir den Linienbus zu suchen, der ins Zentrum fährt. Nicht nur weil ich sparsam veranlagt bin sondern auch weil ich mich Buenos Aires langsam nähern wollte.

Zwei Stunden kurvte der Bus also durch Vororte immer links und rechts der Schnellstrasse. Die kleinen Häuschen mit Garten, hässlichen Betonkirchen und Viehweiden wurden nach und nach von größeren Wohngebiete, Werkstätten und Shoppingcentern abgelöst die an kompliziert miteinander verschlungenen Zu- und Auffahrten liegen die Massen an Autos, Bussen und LKWs fassen. In halsbrecherischem Tempo fuhren wir dann durch moderne Einkaufsstraßen, um uns langsam aber sicher dem Zentrum mit der älteren Bausubstanz zu nähern. Links und rechts der baumbestandenen Einbahnstraße die der Fahrer schließlich entlang raste, um alle paar hundert Meter abrupt an einer Haltestelle zu bremsen wo jemand das Handzeichen zum Zusteigen gab, ragten hohe Wohn-und Geschäftshäuser auf, die mich sehr an Paris oder auch Madrid erinnerten. Überhaupt wirkt Buenos Aires ziemlich europäisch, gerade im Zentrum mit seinen vielen Banken, Büros und tagsüber den tausenden Angestellten in Kostüm und Schlips.

„Wer bremst verliert“ galt dann auch als es immer enger wurde zwischen den repräsentativen Gebäuden mit ihrer Abgas-Patina und den schmalen Streifen Gehweg links und rechts auf dem man sich lieber ziemlich nah an der Wand bewegen sollte wenn die uralten, bunten Linienbusse durch die Straßen donnern. Irgendwann kamen wir an der Plaza de Mayo vorbei, dem zentralen Platz an dem Demonstrationen stattfinden und zahllose Politiker vom Balkon der casa rosada schon zum Volk gesprochen haben.

Ich wusste aus dem Reiseführer, dass ich nach dem rechts Abbiegen bald aussteigen musste und fand mich wenige Schritte von der sechsspurigen (mindestens) Allee plötzlich in einem Viertel mit bunten Kolonialhäusern, Kopfsteinpfalster, Cafes und Antiqiutätenläden wieder: San Telmo. Am zentralen Platz verkaufen täglich viele Leute ihren selbstgemachten Schmuck im Schatten der Bäume. Eine Tangoshow findet für die Touristen in den Cafes auf dem Platz statt und die Restaurants ringsum buhlen um Gäste zum Abendessen. Ich hatte mir kein bestimmtes Hostal rausgesucht weil ich mir sicher war eines auch so zu finden und fragte einen der Schmuckverkäufer, der mir dann auch gleich weiter helfen konnte. Im „Nomade“ bezog ich ein Doppelstockbett im 6er-Zimmer mit Küche, Aufenthaltsraum und süßem
argentinischen Frühstück inclusive für ca. 6 Euro die Nacht. Dort habe ich ein deutsches Pärchen getroffen die gerade mit dem Fahrrad durch die Welt tingeln und noch lange nicht planen, zurückzukehren.
Weihnachten wollen sie in Patagonien sein, was ich anfangs auch reizvoll fand, mittlerweile aber entschieden habe, mir die tausenden Kilometer zu sparen und im Norden Argentiniens oder in Uruguay zu bleiben. Weihnachten unter Palmen oder auf einer Farm schwebt mir vor…

Jedenfalls war Buenos Aires ziemlich nett und gegensätzlich. An einem Tag bin ich erst durch die Skyline des neuen Nobelviertels am ehemaligen Hafen gebummelt, dann durchs stressige Zentrum gehetzt und schließlich durch ruhige Mittelstandsviertel zum antiken Friedhof „Recoleta“ gebummelt. Habe hier einen Kaffee getrunken, dort bei einem netten Schuster meine Schuhe nähen lassen und mir dann prunkvolle Mausoleen aus vergangenen Zeiten angesehen. Mit der wunderbar schraddeligen U-Bahn, vorbei an bunt gefliesten Haltestellen, bin ich schließlich in den Süden in das Arbeiterviertel La Boca gefahren.

Der Reiseführer warnte davor, sich zu sehr abseits zu bewegen. Und ich kam natürlich pünktlich zur Dämmerung dort an, fuehlte mich aber sicher zwischen vielen, vor allem jungen Leuten, die alle zum riesigen Fussballstadion stömten. Es gab aber kein Spiel der lokalen Mannschaftla Boca sondern ein Konzert eines berühmten Sängers. Ich habe kurz überlegt, ob ich mich mit anstellen soll, bin dann aber weiter durch die Straßen gelaufen auf der Suche nach dem touristischem Zentrum dort. Das habe ich nicht gefunden, stattdessen „echte“ bunt bemalte Holzhäuser und Wellblechhütten für die la Boca einst berühmt war und die an einer Stelle eben nachempfunden und aufgepeppt wurden. In den „echten“ Häusern leben großen Familien unter ziemlich schlechten Bedingungen und ohne sich viel leisten zu können. Die Läden waren alle verstaubt und schraddelig und das Sortiment klein; kein Vergleich mit den Super-Shoppingcentern im Zentrum. Ein Blick in die Hinterhöfe zeigte verschachtelte, provisorisch wirkende Verschläge und Anbauten. Das Leben findet auf der Straße statt. Die Kids spielen zwischen den vielen streunenden Hunden, Jugendliche lungern herum, Frauen machen Besorgungen und ich mitten drin, hier Empanadas (gefüllte Teigtaschen) kaufend, dort ein Geschäft betretend.

Dass ich nicht von dort war schien man mir aber wohl sofort anzusehen, nicht weil ich die einzige Weiße gewesen wäre, denn die meisten Leute könnten auch in Europa leben. An einer Ecke an der ich gerade abbiegen wollte meinte ein junger Mann, der vorbei kam, nur: „dalang nicht!“ Und daran hielt ich mich auch schleunigst und blieb an der stark befahrenen Hauptstrasse mit vielen Fußgängern. Irgendwann stellte ich mich an einer Bushaltestelle an weil mir auch schon die Füße wehtaten vom vielen Laufen und einer der urigen Busse spuckte mich freundlicherweise direkt um die Ecke von meinem Hostal aus.

Da ich endlich mal eine echte argentinische Mate-Zeremonie (mit dem Metallstrohhalm aus der Kalebasse) erleben wollte, folgte ich der Einladung und besuchte den Schmuckverkäufer auf der zentralen Plaza, wo ich freudig begrüßt wurde. Ein anregendes Gespräch, heißen Mate zum Aufwärmen (denn die Temperaturen waren bisher eher herbstlich wie bei uns gewesen) und weiter ging’s später noch zu einem kleinen Theater um die Ecke, wo ich glücklicherweise noch einen kostenlosen Platz ergattern konnte. Gezeigt wurde ein starkes Stück über eine Realität aus der noch gar nicht so lange überwundenen Militärdiktatur: ein junger Mann entdeckt, dass er kein Findelkind war, wie ihm immer erzählt wurde, sondern das geraubte und zur Adoption frei gegebene Kind von Verfolgten der Diktatur die nie wieder auftauchten.

An meinem vorerst letzten Tag in Buenos Aires genoss ich die Sonne auf der Plaza – mit Mate und freundlichen Bekannten, die ich hoffe wieder zu sehen – stromerte noch ein wenig durch San Telmo und traf im Zentrum auf der Plaza de Mayo zufällig auf eine Kundgebung zum internationalen Tag der Ernährungssouveränität. Vertreterinnen und Vertreter von Kleinbauernorganisationen, Indigenen und politischen Gruppen aus dem ganzen Land forderten ihr Recht auf Nahrung und die Möglichkeit sie selbst zu produzieren und in Würde zu leben ein. Das Thema Soja, das mich ja überhaupt erst nach Paraguay verschlagen hat, sprang mich auch dort an. Ich traf auf Vertreter einer Organisation im Norden Argentiniens die ein Transparent gegen genmanipulierte Soja und die eingesetzten Ackergifte hielten. Der Kontakt ist gemacht und ich habe große Lust, dort meine Recherchen auszudehnen, denn der problematische Sojaanbau betrifft leider nicht nur Paraguay…

Wenig später bestieg ich den Doppelstockbus der mich über Nacht ins Nachbarland Paraguay bringen sollte; mit Liegesitz, einem schnarchenden Nachbarn, Rundum-Service durch einen freundlich-rundlichen Stewart der ein selbstgebautes Wägelchen mit schrecklichem Essen in Aluminiumschalen und alkoholischen Getränken durch den schwankenden Gang bugsierte und zum Schreien komischen Neunziger-Jahre-Musikvideos. Wusstet Ihr dass Roxette einen ihrer Hits auch in schlechtem Spanisch sangen?

Weiter geht’s im Herzen Südamerikas: in Paraguy!


Dem Soja auf der Spur (Teil 2)