“Na ob sich _das_ lohnt? 🤔” Ein Jahr Elektroauto

Wir fahren jetzt ein Jahr E-Auto, es ist – so der Brauch im Internet – Zeit für ein kleines Fazit.

Die Sache mit der Riemenscheibe

Für uns war eigentlich gesetzt, dass das nächste Auto ein E-Auto wird. Lediglich das “wann?” war noch unklar. Als am 20. August 2023, 5km nach Abreise vom Campingplatz unser Diesel-Kleinbus verreckte, war das “wann” dann auch geklärt.

Ein Blauer kleinbus auf der Ladefläche eines gelben ADAC Abschleppautos.

Die Reparatur war hmfpgrmltausend Euro teuer und wenn man fragt, warum so ein Teil im Motor, von dem man noch nie etwas gehört hat, kaputt gehen kann, ist die Antwort des mit ölverschmierten Armen vor Dir stehenden Mechanikers lediglich “Tja…”.

Ich bin dann also in dieses “Total Cost of Ownership” Rabbithole gefallen und habe sämtliche Rechnungen von Kauf bis zum fatalen 20. August in einen Spreadsheet gehackt. Dann noch Verbrauch mit gefahrenen Kilometern multipliziert, Diesel-Durchschittspreise beim Statistischen Bundesamt nachgeschaut, TÜV, Steuern und Versicherungen aufaddiert und …

Donnerwetter! So teuer ist die Karre? Mag sein, dass wir mit dem Auto einfach Pech hatten, aber unterm Strich waren wir bei 300€ monatlich für Steuern, Versicherung, TÜV, Werkstatt und Diesel bei 15.000km pro Jahr. Eigentlich gehört da noch die Abschreibung des Kaufpreises mit rein, wenn man es genau nimmt. Dann wären wir bei 470€. Ganz schön viel Kohle für “ich kann wann ich will und wo ich will im Stau stehen”.

Diese ganze Rechnerei war schon mal der erste Fehler. Jetzt habe ich nämlich versucht zu schätzen, was uns ein E-Auto im Unterhalt kosten würde und wenn man geringere Unterhaltskosten annimmt, kann man damit sich ja auch den höheren Kaufpreis schön rechnen …

Die Probefahrten waren der nächste Fehler. Da weiss man nämlich dass man unbedingt ein Elektroauto braucht und jede Fahrt im inzwischen reparierten Diesel-Ungetüm fühlt sich wie ein Rückschritt in das Zeitalter der Dampfmaschinen an.

Unzählige Abende in meinen Spreadsheets später stand der Entschluss fest und ein unschlagbar “günstiges” Angebot kam gerade zur rechten Zeit.

The good, the bad, the ugly

Es gibt so viel gutes, aber wir fangen mit dem allergrößten Nachteil an: Die Vorurteile. Dank der Diesel-Presse mit den großen Buchstaben, weiss jeder Verbrenner-Fahrer (ja es sind _immer_ Männer) ganz genau, dass der Akku nach 10 Jahren Sondermüll ist und ich immer eine Stunde neben dem Auto an der Ladesäule stehen muss wie beim Tanken. Es ist wirklich anstrengend… Ich sage dazu nur noch wenig und schreibe lieber die Dinge ins Internet.

Also was ist schön, nein, was ist das Beste? Eindeutig die Klimaanlage. Wir können sie nämlich jederzeit einschalten. Wenn das Auto in der prallen Sonne steht und wir gerade am Strand einpacken? Erstmal auf solide 21°C abkühlen. Es gibt Dinge im Auto (Einkäufe, Medikamente), die nicht super warm werden sollen? Wir lassen die Klimaanlage einfach eingeschaltet.

Es sind knackige -10 Grad draußen und ich habe keine Lust auf das Freikratzen der Scheiben? Ich nehme mein Telefon von Nachttisch, knipse die Klimaanlage an und wenn ich mich dann geduscht und angezogen ins Auto setze, sind die Scheiben frei, das Lenkrad vorgewärmt und ein Grinsen in meinem Gesicht.
Ja, das kostet Strom, aber weniger als man denkt und der Komfortgewinn ist so unfassbar groß, dass ich so etwas nie mehr missen möchte. Da fällt mir ein, dass es im Auto gar keinen Eiskratzer gibt. Solche Snobs sind wir 🙂

Ein von Raureif überzogene Autoheckscheibe, in Hintergrund ist ein Haus zu sehen. Die Sonne scheint, links steht ein Baum der Schatten auf das Auto wirft.

Großartig ist auch die Rekuperation, also die Rückgewinnung von Strom durch das Bremsen mit dem e-Motor. Das klingt erstmal nicht so spannend, aber wenn man über die Alpen fährt und die Familie bei jedem hinzugewonnenem Prozent jubelt, ist das schon großartig. Beim letzten Mal über den St. Bernhard Pass stieg der SoC von 51% auf 58%. Nicht übel.

Ansonsten: die Ruhe. Man gleitet sanft dahin, beschleunigt linear, keine Lastwechsel beim Schalten, und überhaupt: fahren im Verbrenner fühlt sich so nach Handarbeit an. Man muss sich um so viele Nebensächlichkeiten kümmern, damit es dem Auto gut geht. Der richtige Drehzahlbereich, oh der Partikelfilter wird gereinigt, Motor jetzt bloß nicht ausschalten, die Öllampe leuchtet, was bedeutet die gelbe Motorkontollleuchte, kannst Du mal im Handbuch nachschauen bitte?
Das ist für Menschen mit dem Selbstbild “Kraftfahrer” sicherlich alles total wichtig und logisch, ich bin aber eher der faulste anzunehmende Fahrer und möchte mich mit solchen Details nicht auseinandersetzen.

Ein weiterer netter Aspekt: Kurzstrecken sind nicht ungesund für den Motor. Klar gibt es das Fahrrad, aber den Hänger voller Grünschnitt ziehe ich damit nicht. Beim Verbrenner plagt einen das schlechte Gewissen, für 2km den Motor angelassen zu haben, der ölverschmierte Mechaniker erscheint vor dem inneren Auge und runzelt die Stirn. Mit e-Motor ist das weitestgehend egal.

Besonders schön, aber eher nur für mich attraktiv: die API. Das Auto hat eine Datenschnittstelle und ich kann dort alle nur erdenklichen Werte rausziehen. Großartig für Zahlennerds wie mich.

In jedem “Warum sind E-Autos besser” Artikel darf natürlich nicht fehlen, dass die Beschleunigung so unfassbar großartig ist und überhaupt. Mir ist das relativ egal, ich bin eher Team 120, Tempomat und Mittelspur. Wobei mir auch schon attestiert wurde, dass ich mit dem neuen Auto gelegentlich zu schwungvoll fahre. Das ist eine unschöne Nebenwirkung, deswegen eindeutig ein Nachteil beim E-Auto.

Was außerdem oft thematisiert wird, aber völlig irrelevant ist: die Reichweite. Ich sage immer “400 km im Sommer, 300km im Winter”. Warum ist das egal? Weil Parkzeit gleich Ladezeit ist. Wenn ich nach hause komme, hänge ich das Auto an den Strom. Es ist also bei der Abfahrt _immer voll_. Wenn ich Langstrecke fahre, muss ich spätestens nach 200km aufs Klo. Und einen Kaffee hole ich mir dann auch noch, oh ein Schokoriegel ist jetzt genau das richtige. Und – zack – ist die Karre wieder 2/3 voll.

Was man als nicht E-Auto Fahrer so vielleicht nicht auf dem Schirm hat: man muss das Auto gar nicht auf 100% laden. Es genügt so viel Strom, dass man zur nächsten Ladesäule oder ans Ziel kommt (an dem natürlich auch wieder eine Lademöglichkeit vorhanden ist). Dementsprechend kurz sind die Ladepausen. Da wir auf Langstrecken meist mit Kindern unterwegs sind, essen wir oft etwas und hängen dementsprechend länger am Ladekabel, was zu vollerem Akku bei der Weiterreise führt. Im Schnitt haben wir im letzten Jahr 22 Minuten am Schnellader verbracht. Als Einzelreisender wäre das vermutlich eher so 15 Minuten.

Viel wichtiger als Reichweite ist in der Praxis die Ladegeschwindigkeit. Also wie schnell lädt das Auto seinen Akku wieder voll. Bei uns sind das knapp 180kW, d.h. der 60kWh-Akku ist theoretisch in 20 Minuten voll. Praktisch fällt die Ladekurve ab 50%-60% Ladestand und die Ladegeschwindigkeit wird geringer.

Das Laden ist unterwegs also kein Problem, aber dafür ist das Bezahlen fürchterlich nervig. Bei Diesel stecke ich den Rüssel ins Auto, warte bis es voll ist, hänge ihn wieder ein, an der Kasse halte ich meine Karte hin, piep, Dankeschönentagnoch. Ich kann auch an jeder Tanke mit meiner Girocard bezahlen.

Fährt man Tesla, steckt man das Kabel an, wenn das Auto genug Strom hat, zieht man es wieder ab und fährt weiter. Keine Kasse, keine Karte, kein Piep. Die Rechnung bekommt man in der App.

Bei allen anderen Herstellern muss man einen QR-Code scannen oder eine RFID-Karte an die Säule halten oder die Säule in der jeweiligen App freischalten. Wenn man einen Account hat. Wenn nicht, steht man erstmal 10 Minuten bei Eiseskälte sitzt man im schön warmen Auto (wir erinnern uns an die immer funktionale Klimaanlage) und versucht die passende App runterzuladen, ein Zahlungsmittel einzurichten und dann die Säule freizuschalten.
Ja, es gibt Plug and Charge (PnC), aber in der Praxis kommt es sehr darauf an, ob Auto und Säule es können und ob die Kombination aus Auto, Säule und Ladeanbieter unter einem guten Stern steht.

Wenn man alles zum ersten Mal macht, jede App ist anders ist, der Mobilfunkempfang in Deutschland auch seinen Teil dazu beiträgt, ist allein diese Erfahrung schon sehr abschreckend.

Also Profi-Fahrer hat man natürlich sein Lieblingsladenetz und fährt die Säulen gezielt an und hat seine Routine, die dann auch nur noch aus Kabel einstecken, Säule freischalten und hinterher Kabel wieder abziehen besteht.

Kosten

Eigentlich wollte ich mir selbst beweisen, dass ein E-Auto in der Gesamtkostenrechnung günstiger als unser vorheriges Auto ist. Also was kostet der Unterhalt? Kommen wir unter die obszönen 300€ im Monat? Wenn ja, wie weit?

Der größte Posten ist Strom. Den tanken wir zu 74% zu Hause, für aktuell 0.2731ct/kWh. Unterwegs sind die Preise höher, in Ladenetzen mit Monatspreis meist zwischen 39 und 49 Cent. Für sämtlichen Strom zu Hause und unterwegs haben wir im letzten Jahr im Schnitt 0,3122€ pro kWh bezahlt.

Muss man nur noch wissen, was das Auto verbraucht. Das Infotainment behauptet 16,1kWh pro 100km. Das ist allerdings nur der Verbrauch vom Akku in den Motor. Es gibt noch den Bruttoverbrauch, der beinhaltet zusätzlich die Wandlungs- und Speicherverluste vom Ladeport in den Akku. Da wären wir bei 19.1kWh. Die Wallbox hat auch noch einen Zähler: dieser steht bei 20,2592 kWh 😳
Der Hintergrund ist, dass das Auto selbst auch noch etwa 300-400W Strom verlangt, wenn es nicht im Standby ist. Die geliebte Klimaanlage kühlt den Akku beim Laden im Hochsommer oder erwärmt ihn bei Minusgraden, dieser Strom landet ebenfalls nicht im Akku.

Für die Kostenrechnung ist letztendlich relevant, was an der Ladesäule und Wallbox gemessen wird. Die 20,2592kWh * 0,3122€ ergeben Stromkosten von 6,32€ pro 100km.
Der obligatorische Diesel-Vergleich (mit dem Vorgängerfahrzeug): 8,5L x 1,60€ sind 13,60€ – mehr als das Doppelte.
Der Vergleich hinkt natürlich, weil ich einen Kleinbus mit einem Elektro-SUV vergleiche. Für Kostengleichheit müsste das zu vergleichende Diesel-Auto 3,9L verbrauchen.
Mit 15.000km im Jahr sind wir pro Monat bei 80€ Stromkosten zu vorher 170€ Diesel-Kosten, also 90€ günstiger.

Ebenfalls gut vorherzusehen sind fixe Kosten wie die KFZ-Steuer. Diese zahlen wir erst 2031, auf 10 Jahre gerechnet sind das 22,20€ im Jahr (Dieselbus: 340€). Zum TÜV müssen wir 4x in den nächsten 10 Jahren. Die Abgasuntersuchung entfällt zu Glück. Damit sind diese beiden Posten 325€ günstiger im Jahr, also weitere 27€ im Monat gespart.

Etwas teurer ist die Versicherung. Bei unseren Jahreskilometern und Schadenfreiheitsklasse sind das 580€ im Jahr mit Vollkasko. Puh, sollte E-Auto fahren nicht günstiger sein? Es kommt sehr auf das Auto und den Wohnort an. Vergleichbar wäre den vorherigen Kleinbus als Neuwagen versichern lassen, das würde uns 512€ kosten. Dadurch ist unser E-Auto 5,60€ teurer im Monat zu versichern. Häufig sind E-Autos aber nicht teurer, viele Versicherungen bieten einen kleinen Rabatt für E-Autos an. Ein “Vernunfts-SUV” wie einen Skoda Enyaq bekämen wir mit den gleichen Parametern 200€ günstiger versichert, der wäre aber deutlich teurer im Kauf.

Weniger schlecht vorhersagen lässt sich die Wartung. Neue Autos kosten erstmal wenig und ab 7-10 Jahren Alter kommen die kleinen und großen Reparaturen. Positiv ist, dass schon mal nichts kaputt gehen kann, was das Auto nicht hat. Ölwechsel, diverse Ölfilter und Dichtungen fallen nicht an. Genauso wenig Mittel- und Endschalldämpfer, Lichtmaschine, Keilriemen, Spannrolle und nicht zu vergessen die Riemenscheibe.

Worum man nicht herum kommt: Fahrwerk und Klimaanlage. Was das kostet – unklar. Meine Annahme ist, dass die Wartungskosten ungefähr die Hälfte eines Verbrenners betragen, also habe ich optimistisch 500€ im Jahr angenommen. Dafür kann man den erwartbaren Verschleiss am Fahrwerk beheben und hoffen, dass die Klimaanlage nicht mehr als ein mal undicht wird.

Ein erfreulicher Kostenpunkt beim Elektroauto ist die THG-Quote: hier bekommt man Geld, dafür dass man ein Elektroauto besitzt, weil man seine CO2-Emissionsrechte an Poolinganbieter weiterverkaufen kann.
Im Jahr 2022 lag die Auszahlung pro Fahrzeug noch bei über 400 €. Leider ist der Markt aufgrund von als CO₂-neutral deklariertem Frittierfett aus China eingebrochen. Diese Lücke im System wurde inzwischen geschlossen, dennoch gibt es aktuell nur noch Beträge im zweistelligen Bereich. Theoretisch könnten die Prämien in den kommenden Jahren wieder steigen, falls Zertifikate vom Markt genommen werden. Allerdings lassen sich diese Einnahmen schwer einplanen – sie sind dennoch ein netter Bonus.

Noch ein netter Bonus ist das Laden mit eigenem Solarstrom. Der kostet uns letztendlich 0,082€ pro kWh, deutlich weniger als der schon günstige Haushaltsstrom. Da die Solaranlage aber die Gewinnschwelle noch nicht erreicht hat, können wir streng genommen den günstigen Strompreis nicht ansetzen. Würden wir es tun, könnten wir für 1,66€ / 100km fahren.

Ich hatte vorab geschätzt, dass wir 25% des Fahrstroms von der Sonne bekommen können, nach einem Jahr sind wir tatsächlich bei 34%. Allerdings steht das Auto auch tagsüber zu Hause und nimmt sich jede überschüssige Kilowattstunde.

Lohnt es sich denn nun?

Vom Komfort her – auf jeden Fall. Die vermeintlichen Nachteile sind in der Praxis nicht relevant. Aber hier geht’s ja um das liebe Geld, also rechnen wir mal: Strom 90€, Steuern/TÜV 27€ günstiger, Versicherung 5,60€ teurer: wir sparen 111,40€ pro Monat. Das klingt nach nicht viel, aber in 10 Jahren Betrieb sind es in Summe 13.368€. Diese Ersparnis ist ziemlich sicher. Dazu kommen dann noch die eventuellen Einsparungen und Vergünstigungen: 5000€ weniger Wartungskosten, wenn meine Rechnung aufgeht und noch ein bisschen THG-Quote oben drauf – pessimistisch vielleicht 500€.
In Summe sparen wir also zwischen mindestens 13.368€ und hoffentlich 18.868€ in 10 Jahren Betrieb. Wenn in 6 Jahren die Solaranlage die Gewinnschwelle erreicht hat, tanken wir zwischen März und Oktober zu Hause noch günstiger und vergrößern den Abstand zum Verbrenner.

Natürlich ist diese ganze Rechnung und die Annahmen höchst individuell. Eine große Überraschung ist auch nicht, dass E-Auto fahren günstig ist. Vielmehr ist die Überraschung wie günstig es ist. Und das wollte ich für unseren Fall eben ganz genau wissen.

Das ist jetzt natürlich nicht bedeuten, dass jeder seinen Verbrenner stehen lassen und ein E-Auto kaufen soll (Und ja, weniger Autos sind besser, wir sind jedoch in der Situation auf eins angewiesen zu sein). Aber wenn das aktuelle Auto sein Lebensende erreicht hat bzw. der Unterhalt langsam unverschämt teuer wird, sollte man sich mal einen Abend hinsetzen und schonungslos aufsummieren, was der Spaß letztendlich kostet.