Das Potsdamer Glockenspiel der Garnisonkirche war in der Nacht zum Donnerstag Ziel eines Vandalismus-Anschlags. Unbekannte haben die Klöppel von 23 überwiegend kleineren Glocken mit Bauschaum besprüht. Außerdem wurden die Kabel von fünf Glocken herausgerissen und damit die Stromversorgung gekappt. (…)
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), zugleich Schirmherr für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, sprach von einer „politisch motivierten“ Tat, die „von langer Hand vorbereitet“ worden sei. Die Aktion richte sich sowohl gegen den geplanten Wiederaufbau der Kirche als auch des Stadtschlosses. Schönbohm forderte die Stadt auf, sich nachdrücklich zu beiden Vorhaben zu bekennen.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Petke sieht in der Beschädigung einen „Anschlag auf alle Potsdamer und auf die deutsche Einheit“. In scharfer Form attackierte Petke die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. Der Anschlag resultiere aus dem „Geist, der in der Kampagne seine Quelle hat“, so Petke. Er forderte alle Potsdamer auf, gegen den Anschlag zu demonstrieren. (Quelle, Links und Hervorhebungen von mir).
Dass der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses und der Garnisionskirche unter Potsdamer Bürgern höchst umstritten ist, ignorieren die Herren Schönbohm und Jakobs gerne. Unter dem Glockengeläut der Garnisonskirche gründeten am sogenannten „Tag von Potsdam“ Hitler und Hindenburg im März 1933 das Dritte Reich.
Dass Herr Petke („Familienstand: verheiratet; evangelisch“) die Kampagne indirekt für den Anschlag verantwortlich macht, löst bei mir nur Kopfschütteln aus. Es ist natürlich einfach eine unbequeme Gruppe, die seit zehn Jahren politisch und kulturell in Potsdam aktiv ist kurz vor der Kommunalwahl zu denunzieren.
Es gibt einen möglicherweise viel simpleren, unpolitischen Grund: den Krach, den dieses Glockenspiel veranstaltet. Alle 15 Minuten ertönt es, zu jeder vollen Stunde erklingt Üb‘ immer Treu und Redlichkeit, zu jeder halben eine andere grausige Melodie. Das geschieht in einer Lautstärke, bei der man einen Herzinfarkt bekommt, sofern man direkt am Glockenspiel vorbeiläuft. Ich bin Anwohner und erfreue mich an dem ungefähr 100 Meter entfernten Gebimmel täglich. Auch wenn ich den „terroristischen Anschlag“ auf „alle Potsdamer und die deutsche Einheit“ nicht billige, kann ich die Motive nachvollziehen. Sowohl politisch als auch akkustisch.