Ich wundere mich schon gar nicht mehr über die merkwürdigen Gestalten im berliner Untergrund, da diese zumeist aus dem sozialen Randbereich entspringen wäre es unhöflich sich darüber zu entrüsten. Ich nehme es hin und bin auf eine gewisse Weise froh, dass diese Gesellschaft einen Spiegel entgegengehalten bekommt: durch den Anblick und die Gewissheit, dass jeder so tief fallen kann. Die Energie, die aufgewendet wird, die betreffende Person zu ignorieren, sollten wir lieber darauf verwenden ihr, wenn man angesprochen wird, in die Augen zu sehen, sie ausreden zu lassen und erst dann höflich „nein“ zu sagen.
Aber ich schweife ab – ich wollte über meine gestrige Zugfahrt berichten. Ein Mensch im nicht definierbaren Alter zwischen 30 und 40 setzt sich mit unüberhöhbaren Seufzen neben mich und fängt an zur Freude aller Mitreisenden an Selbstgespräche zu führen. Wenige Augenblicke später holt er sein Telefon raus, hält es demonstrativ auf Augenhöhe in Richtung der beiden gegenübersitzenden Mädchen und kommentiert seine Aktionen unüberhöhrbar („ah schön“, „ja mal kucken hier“,“hach“).
Sein Benehmen war peinlich und belustigend zugleich, jedoch waren die Mädchen sehr ungehalten von dem Gedanken von ihm und seinem Telefon möglicherweise fotografiert zu werden und haben das durch entsprechende Kommentare deutlich gemacht – die aber ignoriert bzw. überhöhrt wurden.
Derweil habe ich mir überlegt, wie man auf so eine Situation überhaupt reagieren kann. Ihm das Telefon aus der Hand reissen, darauf herumspringen und „ich nehme mein Recht am eigenen Bild wahr!“ schreien ? Die eigene Digicam rausholen und ein Gegenfoto machen ? Absichtlich schielen ?
Ich habe mich dann demonstrativ weg gesetzt und es später bedauert, weil ich nicht gesehen habe, wie die Sache ausging…
Andererseits ist es schon merkwürdig, dass die Leute erst jetzt paranoid werden – Digitalkameras, Analogfotos und Videotechnik gibt es ja schon eine Weile.
Den zweiten Platz belegt ein Fahrgast (mit Cordhosen und Kirchenzeitung) vor etwa einem Jahr, der vom Schaffner darauf hingewiesen wurde, bitte den Schuh vom gegenüberliegenden Sitz zu nehmen und dann beim Kauf der Fahrkarte endlos diskutierte, ob er die 2.50 Euro Aufschlag zahlen muss.
Dazu muss gesagt werden: er sah nicht besonders arm aus, er hatte schon einen 20 Euro Schein in der Hand und Fahrkarten im Zug zu kaufen ist eine kann-Option die eben 2.50 Euro kostet.
Es wurde viel diskutiert, angeblich war der Fahrkartenautomat kaputt (im dem Bahnhof gibt es btw. einen riesigen S-Bahn Karten Schalter), dann kam das Bahn-typische Argument „ich kann auch den Bundesgrenzschutz rufen“, irgendwann nach ca. 10 Minuten hat er dann bezahlt.
Das blöde an solchen Diskussionen ist aber eigentlich, dass sich niemand mehr auf seine Lektüre konzentrieren kann. Ich war drauf und drann einzuschreiten, habe aber dann davon abgesehen.
Eine lustige Geschichte war die Sache mit den amerikanischen Austausch-Schülerinnen (ca. 12-14 Jahre), die sich Sätze aus einem deutsch/englischen Phrasenwörterbuch vorgelesen haben. Besonders lustig (kicher kicher) waren „bitte nur mit Kondom“ und „ich bin noch nicht so weit“. Ich hab mir das Grinsen nur schwer verkneifen können, was dann auch kreischend zur Kenntniss genommen wurde. Es war scheinbar erstaunlich dass ein Deutscher deutsch versteht. Einen englischen Kommentar habe ich mir mangels Spontanität verkniffen, ich schätze dann wären sie in Ohnmacht gefallen.