Post aus Ghana (2)

Noch mehr Urlaubspost aus Ghana:

Date: Mon, 23 Feb 2009 23:48:06 +0100
Subject: Halbzeit in Ghana

Akwaaba die Zweite Ihr Lieben!

Es wird Zeit für einen weiteren Bericht aus Ghana, zumal schon Halbzeit eingeläutet ist; die Tage und Wochen vergehen viel zu schnell. Ich freue
mich auf Vieles wenn ich wieder zurück bin, werde aber auch eindeutig
dieses Land und seine Menschen vermissen für die mein Herz bereits
fröhlich schlägt.

Ich sitze gerade auf der Veranda im Hotel und höre nebenbei die
ausgiebigen Schluchzer der Protagonisten einer afrikanischen Seifenoper
die die Angestellten des Hotels gerade ansehen. Diese gibt es eigentlich
rund um die Uhr und immer sind sie voller Dramatik und Tränen — wenn
nicht gerade Fussball läuft.

Apropros: ich möchte nach wie vor zu einem Fussballspiel ins Stadion
gehen mit dem ganzen Team. Am Sonnabend waren wir alle gemeinsam aus.
Erst etwas trinken. Dann noch etwas trinken und schließlich war es für
Lumo und Kobi, zwei der Tänzer im Projekt, zu spät nach Hause zu fahren,
weil um diese Zeit zu gefährlich. Also mussten wir Verbliebenen bis vier
Uhr in der Frühe wach bleiben und durch-Tanzen; bis es wieder sicher war.

Dafür hing ich am gestrigen Sonntag dann in den Seilen und bin Abends um
neun schon im Bett gewesen. Tagsüber war ich in Teshie, einem riesigen
Stadtteil Accras der am Atlantik gelegen ist. Mit dem Trotro, dem zum
Kleinbus umfunktionierten Transporter, brauche ich ca. eine halbe Stunde
hin. Dort habe ich Emmanuel, einen Rasta-Freund getroffen, der in Nähe
des Strandes wohnt und sich der Pflege meiner Zöpfe angenommen hat.
Später waren wir dann noch zwischen Accra und Tema, der Industrie- und
Hafenstadt die in den 60er Jahren aufgebaut wurde, an einem schön
gelegenen Strand, an dem viele Familien und junge Menschen den Sonntag
verbrachten.

Vor einer Woche habe ich mich Richtung Westküste aufgemacht. Von Accra
aus bin ich zuerst nach Winneba, einem kleinen Fischerstädtchen
gefahren. Es ist einer der Orte mit kolonialer Vergangenheit; zu sehen
an den älteren Gebäuden aus den 20er bis 40er Jahren, deren Fassaden vom
Ruß der Zeit verwittert sind. Darin wohnen meist mehrere Familien.
Dazwischen bunte Lehm- und Betonhäuser, Holzhütten, zu Verkaufsräumen
umfunktionierte Container und jede Menge Straßenhandel. Viele Leute
haben einen kleinen Laden vor ihrem Haus aufgebaut, in dem sie
geräucherten Fisch, frisches Obst, Snacks, Telefonkarten, Kunstgewerbe
oder ein Lebensmittelgrundsortiment anbieten. Alle paar Meter erschallt
eine andere laute Musik; zusammen mit dem Hupen und Röhren der vielen
Motoren sowie der Rufe der StraßenverkäuferInnen und spielenden Kinder
eine intensive Geräuschkulisse.

Meine Unterkunft lag etwas abseits des Zentrums, hinter einer kleinen
Universität, in einem freundlichen Guesthouse mit Weitblick über eine
entfernt liegende Lagune und dem 10 Minuten entfernten Strand.

Dort habe ich schreibend und lesend Stunden verbracht oder einfach den
niederstürzenden Wellen gelauscht. Lange allein bin ich nie. Es gibt
immer Vorbeigehende die grüßen oder ins Gespräch kommen wollen und
Kinder die auf den Aluminiumtabletts auf ihren Köpfen Süßigkeiten
anbieten, die sie dann auch sehr gerne gleich mit mir teilen und sich
gemütlich bei mir niederlassen.

Anschließend bin ich weiter nach Cape Coast gefahren, 130 km von Accra
entfernt, ebenfalls am Meer und mit 90.000 EinwohnerInnen bedeutend
größer als Winneba. Cape Coast ist die Bildungshauptstadt. Seit der
Kolonialzeit wurden zahlreiche private und staatliche Schulen und
Universitäten gegründet, die heute jede Menge junger Leute ausbilden.
Jede Schule hat ihre eigene Uniform. Dabenen ist Cape Coast noch für
seine große Sklavenburg berühmt; es war einer der größten
Sklavenumschlagplätze der Welt. Auf der Führung kommt man in tief
gelegene Kerker in denen die hergetriebenen Sklaven aus dem Inland
monatelang eingepfercht waren bevor sie in die neue Welt verschifft
wurden. Durch die „door of no return“ ging es nur ein Mal. Dahinter
liegt heute ein belebter Fischerhafen. Neben der Führung über Plätze und
Treppen, durch ehemalige Gouverneursquartiere und an Souvenierläden
vorbei, ist die Ausstellung über den Sklavenhandel und das Schicksal
aber auch den Widerstand der Verschleppten in der neuen Welt (die
Meisten auf den Karibikinseln und in Brasilien) sehr gut gemacht.

Von Cape Coast habe ich einen Ausflug in den 30km entfernt liegenden
Kakum-Nationalpark gemacht; einem 360 km² großen geschützten Areal in
dem es viele bedrohte Arten, wie z.B. Waldelefanten und zahlreiche
kleine Säugetiere, gibt. Das Spektakuläre für Tagesbesucher ist aber
eher ein Hängebrückenweg von Baumkrone zu Baumkrone, von dem aus man
einen schönen Blick in die Ferne hat. Der Canopy-Walkway ist ca. 350 m
lang und bis zu 40 m über der Erde gelegen. Um jeden der Riesenbäume die
man passiert, ist eine Holzplatform angebracht von der aus das nächste
Stück begehbar ist. Ich hänge Euch ein Foto mit an, dass ich mit dem
Handy gemacht habe. Richtige Papier-Fotos gibt es dann wenn ich wieder
zuhause bin!

canopy walkway kakum national park

In Cape Coast bin ich drei Tage lang geblieben, denn ich habe ein paar
nette Leute kennen gelernt, mit denen ich die Abende verbracht habe.
Ben, Charles und Gabriel habe ich kennen gelernt, als ich von meinem
Hostel aus zum Strand unterwegs war, der leider Müllkippe und
öffentliches Klo zugleich ist. Dazwischen stöbern Schweine und Ziegen
herum. Wir kamen ins Gespräch und nach und nach lernte ich die Familie
kennen, mit der sie in einem Haus am Meer zusammen wohnen. Sie war
genauso aufgeregt wie die Jungs selbst, die ich abends auf ein Bier in
einer Kneipe einlud, wo wir auch das Tanzbein schwungen.

Am letzten Tag begleitete mich Ben nach Elmina, der ältesten Stadt
Ghanas, ebenfalls an der Küste gelegen, nur 13km von Cape Coast
entfernt, mit weiteren Sklavenburgen und einem riiiiiiiesigen
Fischerhafen. Der Ort ist malerisch an einer Lagune gelegen und die
Panoramaaussicht von dem auf einem Hügel gelegenen Castle aus war
spektakulär. Auch dort habe ich mich in Handy-Fotografie versucht, die
ihr im Anhang bewundern könnt.

Elima

Im Hafen selbst rege Betriebsamkeit. Hier haben die Frauen das Sagen,
konkurrieren um das frische Fanggut der vom Meer zurück gekehrten
Holzboote und thronen über riesigen Aluminiumschüsseln aus denen sie
alle möglichen Arten von Fisch verkaufen.

In der langgezogenen Bucht kehren wir am Strand auf ein kühles Malzbier
(aus der Guiness-Brauerei in Kumasi) in eine Bretter-Bar auf Holzstelzen
ein. Nebenan drängen sich Kinder an einem Gebäude, um durch die Ritzen
der Holzlatten einen Blick auf den Film zu erhaschen der im Inneren des
Kinos gezeigt wird; sicher ein Video aus us-amerikanischer Produktion
die man billig als Raubkopie an jeder Straßenecke erwerben kann.

Zurück geht es im Sammeltaxi auf der Straße am Strand, an Mangroven,
Siedlungen, weiteren Verkaufsständen und Booten und einem Wald von
Kokospalmen vorbei, die die Uferlinie säumen und Schatten spenden.

Abends bekomme ich ein selbst zubereitetes Abendessen. Es geht
schließlich nicht, dass ich eines der typischsten Gerichte noch nicht
gekostet habe! Gabriel hat Fufu zubereitet: Kochbananen und gemahlene
Maniokwurzel werden in einem Topf gekocht und anschliessend in einem
Holztrog mit einem langen Holzstößel so lange gestampft, bis ein
klebriger, fester Brei entsteht, der mit Suppe übergossen und mit der
rechten Hand aus einem gemeinschaftlichen Topf gegessen wird.

Charles hat die Fischsuppe dazu gekocht und zu siebent sitzen wir drum
herum und geniessen.

Mit den Fingern zu essen ist großartig und auch Banku, ein ähnlicher
Brei der gerne zu Tilapia (Süßwasserfisch) gegessen wird, schmeckt mir
inzwischen sehr gut. Im Restaurant oder auch an mobilen Esständen auf
der Straße werden dazu als Erstes eine Schüssel mit Wasser, Seife und
ein Handtuch gereicht, um sich die Hand zu waschen. Insgesamt sind die
Gerichte sehr mächtig und oft fettig wegen dem gern benutzten Palmöl.
Darin werden auch die Kochbananen gebraten, Yam-Streifen wie Pommes
frittiert, Bohnen in Tomatensauce oder die spinatähnliche Palava-Sauce
gekocht. Auch in Ghana gilt Hühnchen nicht als Fleisch und ich muss
schon oft aussortieren, aber es schmeckt mir meist. Nur Reis kann ich
nicht mehr sehen…

Das war also in Kürze meine Reise an die Küste. Hier in Accra hat sich
aber auch Einiges getan.
(…)
Wenn ich nicht gerade auf der Veranda vor dem Probenraum im Schatten lese oder döse, streife ich im Zentrum rund um den Makola-Markt umher, besorge Gemüse zum kochen oder dringend benötigte T-Shirts, weil wir zu wenig kurzärmelige Tops mitgenommen haben. Diese stammen dann aus Kleidersammlungen in England oder Deutschland und bilden eine Einnahmequelle für die vielen StraßenverkäuferInnen die ihre über dem Arm getragenen Waren an die Frau bringen wollen.

Auf dem Markt selbst habe ich Pauline kennen gelernt, die in einem der
schmalen Gänge einen kleinen Platz gemietet hat und, wie ihre vielen
Nachbarinnen, Kleider näht die bei ihr bestellt werden. Sie hat mir
bereits zwei bequeme Röcke genäht und da ich ständig auf der Suche nach
schönem Stoff bin, bzw. allzu oft den Einladungen der
Stoffverkäuferinnen folge doch näher zu treten und schließlich zwei Yard
kaufe, werden das nicht die Letzten sein.

Die Farb- und Mustervariationen scheinen grenzenlos. Die vorherrschende
Technik ist der Wachsdruck, gewebte Stoffe sind seltener. Das Meiste ist
Made in Ghana und sieht an den Ghanaerinnen und Ghanaern definitiv am
besten aus!

Auch mein Volta-See-Thema habe ich voran gebracht. Eine erste
Recherche-Reise zum Akosombo-Staudamm im Nordosten habe ich bereits
gemacht und natürlich im Fluss gebadet.

In Accra war ich bei der Volta River Authority (VRA) um die Genehmigung
für Interviews in Einrichtungen dieser größten vor Ort tätigen Behörde
zu bekommen und in eines der Kraftwerke selbst zu kommen. Aber die
bürokratischen Mühlen mahlen hier langsam und nichts geht ohne
Empfehlungsschreiben der einen Behörde die wiederum eines von einer
anderen Stelle benötigt, inclusive dt. Botschaft und WDR. Ich
hoffe da ergibt sich bald was, denn die Zeit wird knapp. Die
Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsbteilung war freundlich aber auch
misstrauisch und darauf bedacht, dass ich ein gutes Bild der Behörde
darstelle

Mit oder ohne VRA-Passierschein mache ich auf jeden Fall bald die
Schiffsreise über den 400 km langen See. Ich habe Scott, einen
US-Amerikaner kennen gelernt der seit fünf Jahren durch die Welt reist
und ein Comedy-Video über sich selbst auf Reisen dreht. Wahrscheinlich
werden wir diese Fahrt gemeinsam machen.