Bangkok ist wirklich ein extrem gefährliches Pflaster. Nicht, dass man ständig ausgeraubt, entführt oder übers Ohr gehauen wird. Nein, die wirklich ernsthafte, riesengroße Gefahr in dieser Stadt ist der Linksverkehr. Als Fußgänger die Straße zu überqueren ist einem Suizidversuch gleichzusetzen, weil man sich einfach nicht daran gewöhnen kann, dass die Autos von der Seite kommen, in die man gerade nicht schaut. Ich wette es gibt Statistiken, die belegen, dass Briten weniger in Fußgängerunfälle verwickelt sind, als andere europäische Touristen.
Ich bin vielleicht etwas überängstlich und verkrampft, weil ich all die möglichen Gefahren und Ärgernisse der Stadt im Reiseführer gelesen habe, aber eigentlich kann man hier gut klarkommen, wenn man sich auf den thailändischen Stil einlässt.
Sehr unterhaltsam sind die kleinen Hinterhofgassen, dort findet das gesamte Familienleben halböffentlich statt. Der Fernseher wird draußen auf einen Tisch gestellt und dann kocht man, wäscht die Wäsche oder weisst einem verirrten Farang den Weg. Einer solchen Weisung folgend, finde ich mich in einer Sackgasse wieder. Ich frage ein paar herumlungernde Thais, diese deuten auf eine Wohnungstür „this way“. Ich wollte das Haus eigentlich nicht besichtigen und frage nochmal, etwas genervt bekomme ich „go, nobody will kill you“ zu hören. Ok, ich betrete so eine Art Garage, die eine Hintertür in eine andere Gasse bietet und mich tatsächlich auf die Khao San Road führt. Toll!
Auf dem Weg zum Pier, verirre ich mich wieder, frage einen etwas heruntergekommenen Ausläner, der selbst kaum Englisch spricht. Er überlegt kurz und sagt dann „follow me, I know a shortcut“. Ich versuche mich an sämtliche mir bekannten, nie praktizierten Selbstverteidiungstechniken zu erinnern und folge ihm mit einem etwas mulmigen Gefühl. Die Gasse wird enger und dunkler und endet nach ein paar Metern. Er öffnet selbstbewusst eine Haustür, wir schreiten durch eine Art Waschküche und ernten den verdutzten Blick einer Thaimutti, die gerade beim Waschen ist. Eine Tür weiter sind wir plötzlich in einer Art Gemeinschaftsdusche (Verwirrter Blick einer halbbekleideten Touristin) und kommen von dort in eine mit Mamor gefliesste Hotellobby. Auf der Straße finde ich mich zwanzig Meter links neben der Gasse wieder, die ich eigentlich benutzen wollte. Toll 🙂
Der Plan für meinen letzten Tag Bangkok ist hauptsächlich ein Ticket für den Nachtbus nach Chiang Khong zu ergattern. Also fahre ich zum Busbahnhof Mo Chit im Norden. Der langsamste Weg dorthin ist das Taxi. Es steht ständig im Stau und kostet bestimmt 250 Bath. Also nehme ich den billigen und schnellen Weg, den ich mir auch alleine zutraue. Auf dem Wasser vom nördlichsten bis zum südlichsten Pier und dann den Skytrain wieder nach Norden. Dauert etwa 1-1.5 Stunden und kostet knapp 60 Bath.
Der Skytrain wird in den Reiseführern spektakulär umschrieben, ist aber nichts weiter als eine U-Bahn über Tage, das kann man genau so gut auch in Berlin haben. Die Trasse ist etwas höher und man kann die Stadt und das Chaos unterhalb ganz gut bewundern. Es gibt wie in Berlin Fernseher, auf denen fast nur Werbung läuft, hier ist sie jedoch mit Ton.
Von der Skytrainstation zum Busbahnhof soll man den Linienbus nehmen, ich bin aber zu faul und wenig abenteuerlustig, also winke ich mir ein Taxi heran. Hier bewährt sich erstmals Mods Zettel, sie hat den Namen des Busbahnhofes auch in Thai aufgeschrieben, den ich dem Taxifahrer Zeigen kann. Er spricht grottenschlecht Englisch und fragt gleich, ob ich nach Chiang Mai will. Die Stadt ist das Reiseziel im Noden Thailands, scheinbar wollen alle Backpacker dort hin.
Trinkgeld ist in Thailand eigentlich überhaupt nicht üblich, maximal lässt man bei einer Rechnung über knapp 500 Bath im Restaurant noch 5-10 Bath des Wechselgeldes auf dem Tisch liegen. Keinesfalls kann man die Rechnung höher ansetzen, das in Deutschland übliche „machen Sie 500“ versteht hier niemand. In Touristenorten sind aber die Menschen schon etwas angepasst und so bin ich recht erstaunt, dass der Taxifahrer keine Anstalten macht mir meine drei Bath Wechselgeld rauszugeben. Ich hätte sie sowieso nicht genommen, aber das ist das erste Mal, dass jemand so „dreist“ ist.
Auf dem Busbahnhof sitzen hunderte Thais und warten auf ihren Bus. Es gibt unzählige kleine Schalter der verschiedenen Reiseunternehmen, an denen man Tickets kaufen kann. Mod und Ralf haben mir das staatliche Busunternehmen empfohlen, es ist zuverlässig und man ist vor Überraschungen sicher. Bei kleineren Firmen passiert es schon gelegentlich, dass man einen Platz im VIP-Bus mit Klimaanlage und Schlafsitz bucht und dann die Reise zusammengepfercht in einem Kleinbus antritt, weil nicht genügend Fahrgäste für einen großen Bus zusammengekommen sind.
An der Information versuche ich mich verständlich zu machen, ich verstehe aber den Mitarbeiter nicht, und er mich nicht. Prima 🙂 Irgendwann zeige ich ihm Mods Zettel und deute auf „gouvernement bus“, daraufhin erzählt er mir etwas, schreibt schliesslich „25-28“ auf einen Zettel und gibt ihn mir. Tatsächlich finde ich am besagten Schalter die staatliche Buslinie. Ich kaufe ein 1. Klasse Ticket für 650 Bath, auf dem fast alles in Thai steht 🙂 Die Mitarbeiterin erklärt mir, dass der Bus um 19:00 Uhr (kringel) auf Slot 120 (kringel) losfährt.
Ok, das wäre geschafft. Auf der Strecke zurück gibt es das Problem vom Busbahnhof Mo Chit zur Skytrainstration Mo Chit zu kommen. Der Taxifahrer schüttelt den Kopf und deutet nach draußen. Skytrain ist ihm kein Begriff. Zum Glück steht im Anhalter die Lautschrift für „Himmelszug“ und das Problem ist gelöst.
Es ist noch etwas Zeit und ich schaue mir Wat Po an. Vor dem Tempel sitzt ein Sicherheitsbeamter und spricht mich an, wo ich denn herkomme („Ah, germany, Guten Taag!“), ob ich schon im Königspalast war (ja, gestern) und wo ich denn wohne. Als ich mich mit Khao San Road oute, flaut sein Interesse sichtlich ab. Wahrscheinlich passt mein äußeres Erscheinungsbild nicht zum Schmuddelimage der Backpackermeile.
Man muss dazu wissen, dass Thais sehr auf ein gepflegtes Äußeres achten und den sozialen Rang am Erscheinungsbild festmachen. Man kann enorm viel Entgegenkommen ernten, in dem man einfach sauber und ordentlich gekleidet ist, ein Hemd ist für Männer quasi Pflicht. Diese fast überlebenswichtige Information verdankte ich übrigens Patrick, der mir zum Monsters of Spex Festival seine Couch angeboten hat und selbst schon viel in Asien gereist ist.
Im Guesthouse angekommen bleibt mir eigentlich nur noch Zeit zu essen, dann muss ich wieder los. Mod hat mir „eat before you enter the bus!!!“ auf den Zettel geschrieben. Sie ist etwas in Sorge um mich, weil ich in der Stadt sehr verloren wirke. Ich schlinge das Essen runter, weil es schon etwas spät ist. Hm, sie hat gesagt, ich soll ein bis zwei Stunden vorher am Busbahnhof sein. Warum eigentlich? Fahren die Busse hier möglicherweise auch früher als geplant ab?
Ich unterschätze Bangkok natürlich erheblich. Ich habe mir morgends ein Ticket gekauft, weil ich Angst hatte, dass der Bus ausgebucht sein könnte. Ich hätte mich mal lieber darum sorgen sollen, pünktlich am Bahnhof zu sein. Diese Erkenntnis reift langsam in mir, zusammen mit der Panik, den Bus nicht mehr zu erreichen. Also nehme ich das erste „Tuk Tuk Mister?“ Angebot an. Es ist keine gute Idee, so etwas nahe der Khao San Road zu machen. Der Fahrer schlägt für die Strecke 60 Bath vor, wert ist sie *maximal* 30. Ich bin in Eile und wir einigen uns auf 40. Natürlich kennt der Fahrer den Pier nicht und hält nach einer Minute Fahrt an einem anderen Pier. Nach wir gemeinsam mit anderen Thais an der Straße das korrekte Fahrziel ermittelt haben, werde ich nochmal 200 Meter weiter gefahren, diesmal ist es der richtige Pier. Ich will mit einem 100 Bath Schein bezahlen, das sind gut zwei Euro. Jetzt kommt erstmal der Trick „ich habe kein Wechselgeld“, er geht zu einer Gruppe Thais am Straßenrand, wedelt mit dem Schein, die Thais schütteln den Kopf. Zum Glück habe ich noch genug Kleingeld um passend zu zahlen. Um diese Zeit fährt nur noch das langsame Boot, das an jedem Pier hält und sehr voll ist. Wenn man es eilig hat, ist Bangkok die denkbar schlechteste Stadt 🙂
Kurz nach halb sieben komme ich mit dem Skytrain an, bin aber immer noch etwas in Panik, weil das letzte Stück der Strecke mit Autos verstopft ist. Ein Taxi fährt an mir vorbei, das nächste willige Gefährt ist ein Tuk Tuk und wie sich herausstellt, ist das eine sehr gute Wahl. Er schlägt 80 Bath vor, ich sage, dass ich für 50 ein Taxi bekomme. Als ich schon meinen Rucksack nehme und Anstalten mache, mir ein Taxi zu benutzen, geht er auf den Preis ein.
Tuk Tuk Fahrer verdienen pro Strecke, Taxifahrer pro Kilometer. Ein Taxifahrer ist deswegen nie in Eile, das Taxameter läuft ja immer weiter. Tuk Tuk Fahrer versuchen möglichst viele Fahrten pro Stunde zu schaffen und absolvieren diese mit Überschallgeschwindigkeit. Jede noch so kleine Lücke wird genutzt, die linke Fahrbahnseite ist trotz Gegenverkehr nicht gerade verbindlich und der direkte Weg ist nicht immer der kürzeste. Ich habe das Gefühl wir fahren im Kreis. Es geht über dunkle Nebenstraßen voller Schlaglöcher. Wiedermal sehe ich mich schon ausgeraubt irgendwo im Straßengraben liegen, aber nach fünf Minuten halsbrecherischer Fahrt hält er im Stau an und sagt „Mo Chit“. Ich sehe nur Straße, er deutet aber auf die andere Seite und versichert mir, dort drüben sei der Busbahnhof. Ich glaube das noch nicht wirklich, bin aber andererseits froh den Höllenritt überlebt zu haben. Tatsächlich leuchtet über dem Gebäude auf der anderen Straßenseite in großen Neonlettern „Mo Chit Bus Station“. Als ich bei Plattform 120 ankomme, fährt der Bus gerade ein.
Ich gebe meinen Rucksack ab und kaufe mir noch etwas zu Essen. Beim Bäcker gibt es gleich noch etwas Thaiunterricht, ich ernte aber für meine Aussprache Gelächter 🙂
Noch ein Tipp von Patrick waren Ohrenstöpsel für den Bus. Ein Fernseher ist hier ein enorm wichtiges Stück Lebensqualität, das natürlich auch in den Bus gehört. Bei hoher Lautstärke laufen Fernsehshows, die ähnlich grenzwertig sind wie in Deutschland, Seifenopern oder schlecht auf thai synchronisierte japanische Actionfilme mit chinesischem Untertitel.
Es gibt noch eine kleine Pappbox mit Keksen, einem Becher Wasser und diversem Kleinkram wie Erfrischungstüchern. Nach einer Stunde steigen weitere Fahrgäste zu, eine ältere Thaifrau scheint nicht besonders glücklich, neben mir sitzen zu müssen. Ich lächle nur und versuche erst gar keine Konversation um sie nicht total zu verschrecken.
Es gibt gegen 22:00 Uhr noch einen Zwischenstop. Ich warte erstmal bis alle aussteigen und schaue mir die Prozedur an. Offensichtlich ist ein ans Busticket getackerter Zettel Gutschein für eine Nudelsuppe. Auf das Wasser mit Eiswürfeln verzichte ich besser, die Suppe scheint aber ok zu sein. Ich bin nicht sicher, ob die kleinen Klöße darin aus Fleisch sind. Die Konsistenz ist eher gummiartig, der Geschmack undefinierbar. Andererseits weiss ich nicht mehr wirklich, wie Fleisch schmeckt. Ich versuche ein problemloser Passagier zu sein und verabschiede mich für fünf Minuten von Zweifeln und Vegetarismus 😉
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